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Ein Text über Gesehenwerden, Begleitung und das, was zwischen Menschen geschieht
Eine wahre Geschichte:
Ich war selbst auf der Suche nach einem Therapeuten, weil ich mich in einer schwierigen Phase befand und mir Begleitung wünschte. Nachdem die Formalitäten zwecks Krankenkasse geklärt waren, war die erste Frage des Therapeuten:
„Welche Störung haben Sie?“
Irritiert sah ich ihn an.
Ich: „Störung?“
Er: „Ja, ich muss doch wissen, warum Sie da sind. Welche Störung haben Sie?“
Meine Antwort:
„Ich denke, ich gehe jetzt wieder.“
Das war der Moment, in dem er mich zum ersten Mal wirklich bewusst wahrnahm. Ich hatte ihn sichtlich aus dem Konzept gebracht.
Er fragte erstaunt:
„Warum?“
Ich sagte:
„Weil ich mich an dem Wort „Störung“ störe.“
Er meinte:
„Ach so, dann suchen Sie also Coaching?“
Ich antwortete:
„Nein. Ich suche Begleitung. Aber ich glaube, ich bin hier falsch.“
Er sagte:
„Sie können ruhig bleiben, ich habe eine Stunde Zeit für Sie und bekomme diese ja auch bezahlt.“
Ich sagte:
„Ich möchte unser beider Zeit nicht verschwenden.“
Ich stand auf. Und ging.
—
Was in solchen Momenten sichtbar wird
Diese Erfahrung hat mich noch lange beschäftigt und mir schmerzlich bewusst gemacht, wie oft in Schubladen gedacht und eingeordnet wird. Wie sehr an Konzepten festgehalten wird – und wie selten wirklich gesehen wird, dass da ein Mensch sitzt.
Ein Mensch mit Geschichte.
Mit Empfindung.
Mit Würde.
Kein Mensch ist wie der andere.
Und wenn ich eines als Therapeutin gelernt habe, dann das:
Ich weiß es nicht.
Immer dann, wenn ich denke:
„Ah, das kenne ich, das habe ich auch erlebt“ – und beginne, still eine Schlussfolgerung zu ziehen – lehrt mich das Leben etwas anderes.
Mein Gegenüber ist nicht ich.
Selbst ähnliche Erfahrungen fühlen sich in anderen Körpern ganz anders an.
Und vielleicht ist es genau diese stille Verschiedenheit,
die mich immer wieder erinnert:
Da will etwas gesehen werden. Nicht erklärt.
Nicht analysiert, nicht bewertet, nicht durch eine Diagnose hindurch betrachtet.
Sondern wirklich wahrgenommen – als ganzer Mensch.
Und jedes Mal, wenn ich einfach da bin – nicht analysiere, nicht reguliere, nicht erkläre – entsteht etwas.
Nicht als Methode. Sondern weil der Raum dafür da ist.
Menschen sind oft verwundert darüber. Weil sie spüren, dass etwas in Bewegung kommt, obwohl ich scheinbar „nichts tue“.
Weil sie plötzlich mit Schmerz oder Traurigkeit in Berührung kommen – nicht provoziert, nicht herbeigeführt,
sondern einfach, weil es willkommen ist.
Wenn etwas in Bewegung kommt
Ein Atemzug wird tiefer.
Ein Blick wird weicher.
Etwas in der Haltung verändert sich, ganz von selbst.
Tränen kommen.
Nicht, weil etwas zerbricht – sondern weil etwas endlich nicht mehr festgehalten werden muss. Weil es da sein darf.
Es ist die Stille, in der nicht analysiert wird.
In der nicht gesucht wird, was falsch oder zu viel ist.
Sondern einfach da sein darf, was ohnehin schon da war – sich aber nie zeigen durfte.
Nicht willkommen war.
Ein Raum ohne Schubladen.
Ein Raum, in dem niemand funktionieren muss.
Sondern sein darf.
Niemand hat die Verbindung zu sich selbst verloren
Die Menschen haben nur verlernt, ihr zu vertrauen. Oder niemanden gefunden, der mit ihnen dorthin schaut, wo es still wird. Wo nicht geredet wird – sondern gelauscht.
In diesen stillen Räumen zeigt sich oft etwas ganz Zartes:
Die leise innere Stimme.
Sie war nie weg. Sie war nur verschüttet – unter Anstrengung, unter Perfektionismus, unter Anpassung, unter Angst.
Und sie beginnt sich zu zeigen, wenn der Rahmen stimmt.
Wenn jemand bleibt.
Wenn nicht behandelt wird – sondern gehalten.
Mehr Räume, in denen nichts getan werden muss
Ich wünsche mir mehr Räume für die Menschen,
in denen nichts „gemacht“ wird.
In denen nichts erklärt werden muss.
In denen einfach jemand da ist.
Nicht über den Körper hinweg.
Sondern mit ihm.
Nicht über das Gefühl hinweg.
Sondern mit ihm.
Was Begleitung für mich bedeutet
Begleitung heißt für mich:
Da sein.
Mitgehen.
Nicht wissen, was kommt – aber bereit sein, es mitzutragen.
Und vielleicht ist es genau das, was wir alle suchen:
Nicht jemanden, der uns sagt, was los ist.
Sondern jemanden, der sagt:
„Ich bin da.“
„Ich sehe dich.“
Manchmal reicht das.
Und manchmal ist das der Anfang von allem.
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