Die Kraft hinter der Wut – ein Plädoyer für gelebte Emotiondig und oft übersehen
Die Leber ist ein beeindruckendes Organ. Man könnte sagen, sie ist unsere innere Alchemistin – unermüdlich wandelt sie Stoffe um, baut auf und wieder ab. Sie speichert Energie in Form von Glykogen und stellt uns daraus bei Bedarf Glukose zur Verfügung. Sie hilft uns, Giftstoffe, Hormone und Medikamente auszuscheiden – und auch emotionale Belastungen wie Stress oder Kummer hinterlassen Spuren, die sie mitzutragen versucht. Die Leber leistet Unglaubliches – und ist dabei bemerkenswert still. Denn: Sie hat keine Schmerzrezeptoren.
Ein oft zitierter Satz lautet:
„Müdigkeit ist der Schmerz der Leber.“
Wenn wir uns chronisch erschöpft fühlen, lohnt sich also ein Blick auf die Leberfunktion. Auch ein Druck oder Ziehen im rechten Oberbauch kann ein Hinweis sein, dass die Leber aus dem Gleichgewicht geraten ist.
Doch nicht nur körperlich reagiert die Leber sensibel. Auch seelische Themen spiegeln sich hier wider. Die Leber wird traditionell mit Emotionen wie Wut, Zorn und Rachsucht in Verbindung gebracht – aber auch mit großer Eifersucht oder einer unerfüllten, tief empfundenen Liebe. Oft geht es um das Thema „zu viel“: zu viel Alkohol, zu viel Nahrung, zu viele ungelebte oder unterdrückte Gefühle, zu viel Belastung.
Da der Körper ein fein vernetztes Faszien-System ist, können Spannungen im Leberbereich über sogenannte Faszienketten in ganz andere Regionen ausstrahlen. Manchmal zeigen sich daraus resultierende Beschwerden in der rechten Hüfte, im Kreuzdarmbeingelenk, an der rechten Schulter, im Nacken, am Kiefer oder an der Lendenwirbelsäule.
Wichtig ist: Das sind mögliche Zusammenhänge, keine festen Diagnosen. Jeder Körper ist individuell, jede Geschichte einzigartig. Beschwerden sollten immer ganzheitlich betrachtet werden – unter Berücksichtigung der körperlichen Symptome, der seelischen Verfassung und der Lebensumstände.
Wenn beispielsweise jemand mit Schulterproblemen in meine Praxis kommt, spüre ich mit den Händen achtsam nach, wo sich die Spannungen im Gewebe zeigen. Natürlich ist es wichtig, die schmerzende Stelle zu entlasten. Aber eine nachhaltige Veränderung entsteht nur, wenn auch die dahinterliegenden Ursachen – wie eine mögliche Leberbeteiligung – mit einbezogen werden. Und wenn sich zeigt, dass emotionale Themen eine Rolle spielen, dürfen auch diese achtsam mit einfließen.
Denn die Leber leidet oft im Stillen – besonders, wenn sie zu viel halten muss. Doch wir können sie entlasten. Und damit auch unsere Stimmung positiv beeinflussen.
Hier ein paar Anregungen, wie du deine Leber liebevoll unterstützen kannst:
- Bewegung tut ihr gut: ein Spaziergang, das Fahrrad statt das Auto, Treppen statt Aufzug.
- Verzichte, so gut es geht, auf Alkohol und stark verarbeiteten Zucker.
- Deine Leber freut sich über eine nährende, grüne Ernährung – mit reichlich Blattgemüse und Bitterstoffen wie Chicorée, Artischocke oder Löwenzahn.
- Unterstützend kann es sein, morgens ein Glas lauwarmes Wasser mit etwas Zitrone auf nüchternen Magen zu trinken und das Frühstück etwas später einzunehmen – besonders, da die Leber nachts zwischen 1 und 3 Uhr ihre Entgiftungsarbeit leistet.
Wenn du das Gefühl hast, dass deine Leber „etwas hält“, kann es hilfreich sein, einen Moment innezuhalten: Welche Emotion könnte dahinterstecken? Oft ist es die Wut, die in der Tiefe Kraft und Veränderung in sich trägt.
Wut ist eine natürliche Reaktion – von klein auf hilft sie uns, Bedürfnisse auszudrücken und für uns einzustehen. Wenn sie unterdrückt wird, kann sie sich festsetzen, auch körperlich. Doch Wut ist auch eine zutiefst transformierende Kraft. Sie zeigt uns, dass etwas nicht stimmt, dass etwas gesehen und verändert werden möchte.
Stelle dir die Frage:
Was will meine Wut mir sagen? Welches Bedürfnis steckt dahinter? Ist es ein Gefühl von Ungesehen-Sein? Ein alter Schmerz? Unerfüllte Nähe?
Wenn du es schaffst, in liebevoller Verbindung mit deiner Wut zu bleiben, ohne sie zu verdrängen, kann sie zu einem kraftvollen Motor werden – für Wandel, Klarheit und neue Schritte. Vielleicht sogar für einen echten Neuanfang.