Trauma integrieren beim Pferd geht das?

Leben Pferde wirklich im Hier und Jetzt?

Oft hören wir den Satz: „Tiere leben im Moment.“
Doch ist das wirklich so?

Nicht immer.

Denn wie wir Menschen können auch Tiere Erfahrungen machen, die sie überfordern – körperlich, emotional, nervlich.
Wenn ein Pferd etwas erlebt, das zu plötzlich, zu heftig oder zu viel war, kann es sich ein Stück weit von sich selbst entfernen. Gefühle werden abgeschaltet, Empfindungen weggeschoben. In der Psychotraumatologie nennt man das Dissoziation.

Traumatische Erlebnisse müssen dabei nicht immer groß und spektakulär sein. Auch viele kleine, wiederkehrende Überforderungen können Spuren im System hinterlassen. Besonders dann, wenn das Tier keine Wahl hatte und sich der Situation nicht entziehen konnte.

Die Liste solcher Situationen ist lang – gerade in unserem Umgang mit Pferden:

  • Frühes Absetzen von der Mutter
  • Klinikaufenthalte oder Auktionsstress
  • Plötzlicher Beritt durch fremde Hände
  • Mehrfache Stallwechsel, Herdenverluste
  • Boxenhaltung, Anbinden, Kontrollverlust
  • Eingriffe wie Kastration oder Zahnbehandlungen

Erlebnisse wie diese speichern sich nicht nur im Gedächtnis – sondern auch im Gewebe. Das Pferd funktioniert weiter, aber etwas in ihm bleibt festgehalten.

Manche Pferde zeigen das deutlich:
Sie reagieren schreckhaft, schnappen, scharren, kauen auf dem Strick – oft sind sie rastlos, übererregt oder wirken schnell genervt.
Andere ziehen sich eher zurück, wirken stumpf, schlecht ansprechbar, wie innerlich „weg“.

All das sind Hinweise darauf, dass das Nervensystem nicht in der Balance ist.
Dass da noch etwas wirkt – auch wenn es längst vorbei ist.

Was hilft?

Trauma lässt sich nicht einfach „wegmachen“. Aber es lässt sich integrieren.
Im Körper ist es wie eine verdichtete, festgehaltene Energie. Wenn wir dem Pferd helfen, wieder in Kontakt mit sich zu kommen, kann diese Energie sich lösen – sanft, im eigenen Tempo.

In meiner Arbeit begleite ich das Pferd dabei:
Ich lade es ein, sich bestimmten Bereichen seines Körpers wieder zuzuwenden. Ich halte Raum, ohne etwas zu wollen. Und ich lese die feinen Zeichen – ein Blick, ein Ohrenspiel, ein Zittern, ein Atemzug.

Wenn sich diese gebundene Energie lösen darf, kann das Pferd wieder ganz bei sich ankommen. Es wird ruhiger, klarer, wacher.
Die Augen werden weicher, der Blick offener.
Bewegungen fließen freier, der Kontakt wird echter.
Und manchmal entsteht plötzlich dieser Moment von Stille –
der Moment, in dem das Pferd wieder ganz da ist.

Im Hier. Und Jetzt.

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